Kirche in Pommern

Die Einführung der Reformation 

Herzog Barnim IX. (1501–1573) und sein Neffe Philipp I. (1515–1560) hatten 1532 das Herzogtum geteilt, verfolgten aber eine gemeinsame Kirchenpolitik. Im Herbst 1534 beriefen sie einen Landtag nach Treptow an der Rega ein. Auf diesem sollten die Landstände die Einführung der Reformation beschließen. Barnim war als Wittenberger Student mit Luthers Lehre vertraut geworden, Philipp erhielt seine Erziehung in der Pfalz. Zum Landtag luden sie neben dem Adel und den Städten auch den Kamminer Bischof Erasmus von Manteuffel (1475–1544) ein.

Der Superintendent des sächsischen Kurkreises, Johannes Bugenhagen (1485–1558), erhielt die Leitung der diplomatischen Verhandlungen und trat in Treptow führend neben weiteren evangelischen Geistlichen auf. Zu ihnen gehörten Christian Ketelhut (1492–1546) aus Stralsund, Paul vom Rhode aus Stettin, Johannes Knipstro (1497–1556) aus Greifswald und Jacob Hogensee, der in Stolp wirkte.

Kirchliche Erneuerung im Geist Luthers

Schon ab 1521 hatte die kirchliche Erneuerung im Geist Wittenbergs in den wichtigsten pommerschen Städten Fuß gefasst. Am bekanntesten ist die Einführung der Reformation in Stralsund 1524/25. Sie ging einher mit sozialen und politischen Unruhen in der Hansestadt und führte u.a. zu einem Bildersturm in der Nikolaikirche.

Christian Ketelhut aus dem Freundeskreis Bugenhagens wurde zum Stralsunder Reformationsprediger. 1525 erließ der Stralsunder Rat die erste reformatorische Kirchenordnung. Sie wurde von Johann Äpinus (1499–1553) verfasst, einem weiteren Mitstreiter Bugenhagens aus der Belbucker Zeit.

In Hamburg trat zehn Jahre später ein hansischer Konvent zusammen, auf dem die Städte Lübeck, Bremen, Hamburg, Rostock, Stralsund und Lüneburg am 15. April 1535 den Beschluss fassten, sich auf ein gemeinsames Zeugnis zu verpflichten.

Bugenhagens Kirchenordnung

Der Treptower Landtag im Dezember 1534 verlief anders als geplant. Die Ritterschaft verließ ihn protestierend aus Enttäuschung über eine aus ihrer Sicht nicht befriedigende Berücksichtigung eigener Interessen bei der Verteilung kirchlicher und klösterlicher Besitztümer. Dennoch galt die Einführung der Reformation als beschlossen.

Bugenhagen wurde mit der Erarbeitung einer Kirchenordnung beauftragt, die im Frühsommer 1535 in Kraft trat. In weiten Teilen ähnelt sie den früheren Ordnungen für Braunschweig, Hamburg und Lübeck. Geregelt werden darin das gottesdienstliche Leben, die Schul- und Bildungsverantwortung sowie das öffentliche Fürsorgewesen.

Entstehung der pommerschen Landeskirche

Mit der Einführung der Kirchenordnung entstand die pommersche Landeskirche unter landesherrlichem Summepiskopat (Landesherrliches Kirchenregiment). Bugenhagen schlug zwar vor, dass der Kamminer Bischof die Leitungsfunktionen übernehmen solle. Dieser lehnte jedoch ab. Infolge dessen hatte er keinen Einfluss mehr auf die weitere Entwicklung.

Die Rechte und Zuständigkeiten des Bistums Roskilde für Rügen und des Bistums Schwerin für Stralsund endeten oder wurden abgelöst, im Gegenzug auch die Rechte des Bistums Kammin für Güstrow und die Uckermark.

In der Folgezeit entstanden als kirchliche Gerichts- und Verwaltungsbehörden – Konsistorien – an wechselnden Orten (Greifswald 1543, Kolberg 1558, Stralsund 1561, Stettin 1563 u.a.). Die geistliche Leitung erhielten nach dem Beschluss einer Synode in Stettin 1544 schließlich vier Generalsuperintendenten mit Dienstsitz in Stettin, Greifswald, Kolberg und Stolp.

Die 1456 gegründete Greifswalder Hochschule wurde nach dem Vorbild Wittenbergs in den 1550er Jahren neu ausgerichtet und wirtschaftlich gesichert. Sie entwickelte sich zum geistigen Zentrum und wurde pommersche Landesuniversität.

Pommern unter schwedischer und brandenburg-preußischer Herrschaft

Nach dem Aussterben des pommerschen Herzogshauses der Greifen 1637 und vor allem als Folge des für Pommern verheerenden Dreißigjährigen Krieges ging der landesherrliche Summepiskopat nach dem Nordischen Krieg 1720 bis zum Wiener Kongress vom schwedischen König als Reichsfürst des Heiligen Römischen Reiches für den größten Teil Pommerns auf Brandenburg-Preußen über. Von 1715 bis 1720 war das nördliche Vorpommern Dänemark angeschlossen. Der dänische König förderte ähnlich wie der brandenburgische Kurfürst den Pietismus.

Kirchliche Eigenständigkeit in beiden Teilen Pommerns

Das nördliche Vorpommern (ohne Usedom) kam als Schwedisch-Pommern 1721 zurück unter die Herrschaft des schwedischen Königs und verblieb dort bis 1815 - ohne dass dies die kirchlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse entscheidend veränderte. In beiden Teilen Pommerns wurde auf kirchliche Eigenständigkeit geachtet. Vorpommern verharrte im strengen Luthertum, Hinterpommern erfuhr durch Ansiedlungen von Flüchtlingen und Juden eine religiöse Pluralisierung. Wichtige geistliche Leitungspositionen im brandenburgisch-preußischen Teil waren schon früh von pietistischen Theologen besetzt worden. In beiden Landesteilen war die Wahrung des Bekenntnisstandes vom Bestreben nach eigener Identität getragen, im brandenburgisch-preußischen Teil insbesondere im Gegenüber zu dem seit 1613 reformierten Herrscherhaus.

Reformierte Hofprediger in kleinen reformierten Gemeinden

Kleine reformierte Gemeinden entstanden dennoch u.a. in Stettin und Stolp, wo reformierte Hofprediger wirkten. Besonders zu erwähnen ist Daniel Friedrich Schleiermachers (1768-1834) Wirksamkeit in Stolp von 1802 bis 1804. Beziehungen zur pommerschen Romantik entstanden um den Altenkirchener Pfarrer Ludwig Gotthard Kosegarten (1758-1818), der aus Mecklenburg stammte und zu einem markanten Theologen auf Rügen und in Greifswald wurde. Zu seinen Wolgaster Schülern zählt der Maler Philipp Otto Runge (1777-1810), sein Vikar in Altenkirchen war Ernst Moritz Arndt (1769-1860).

Als Ergebnis des Wiener Kongresses 1815 wurde ganz Pommern Provinz des Königreiches Preußen. Ab 1817 wurde die Union eingeführt, nicht als Bekenntnis-, sondern als Verwaltungsunion. Als kirchliche Oberbehörde entstand das Stettiner Konsistorium.

In Vorpommern wurde die Union eher stillschweigend akzeptiert, im östlichen Teil kam es ab den späten 1820er Jahren zu Konflikten, die zu einer regional sehr wirksamen Erweckungsbewegung führte. In den 1840er Jahren kam es zur Bildung der altlutherischen Freikirche. Mehrere hundert Altlutherander wanderten nach Nordamerika aus.

Foto: Die Orgel im Greifswalder Dom © Nordkirche

Ausbau der Kirchengemeinden im 19. Jahrhundert

Das Wachstum der Städte während des 19. Jahrhunderts führte zur Gründung weiterer Kirchengemeinden, insbesondere in der Großstadt Stettin.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts umfasste die pommersche Provinzialkirche etwa 780 Gemeinden in 52 Superintendenturen, die in zwei Generalsuperintendenturbezirke aufgeteilt waren. Große Diakonieanstalten waren seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Stettin, Kolberg und Stralsund ansässig.

Geistig dominierten in der pommerschen Kirche nationalprotestantisch-konservative Haltungen.

Die Theologische Fakultät Greifswald erreichte unter der dominanten Stellung des Systematikers und praktischen Theologen Hermann Cremer (1834–1903) eine große Zahl von Nachwuchstheologen, deren Wirkungen bis in den innerprotestantischen Kirchenkampf der 1930er Jahre zu verfolgen sind.

Glasfenster der Evangelisten Mathäus und Markus, Kirche Bobbin © Nordkirche

Veränderungen nach dem Ersten Weltkrieg

Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung entfiel das landesherrliche Kirchenregiment. 1922 wurde eine Verfassung für die evangelische Kirche der Altpreußischen Union beschlossen, die auch für die pommersche Provinzialkirche galt.

An ihrer Spitze stand nun ein von der Synode gewählter Provinzialkirchenrat. 1923 wurde die Landeskirche in einen Ost- und einen Westsprengel geteilt. Leitende Geistliche waren zwei Generalsuperintendenten, die ihren Dienstsitz beide in Stettin hatten. Nach dem Sieg der Deutschen Christen bei den Kirchenwahlen 1933 dankten sie ab, und Pfarrer Karl Thom (1900–1935) wurde zum Bischof ernannt. 

Nach seinem Tod wurde das Bischofsamt nicht wiederbesetzt. Der pommersche Kirchenkampf verlief im Vergleich zu Berlin und Brandenburg milder und kompromissbereiter.

1933 entstand auch in Pommern ein Pfarrernotbund. Zeitweilig gehörten der Bekennenden Kirche ein Drittel der Pfarrerschaft und tausende Gemeindeglieder an. Eine Bekenntnissynode unter Leitung des hinterpommerschen Gutsbesitzers Reinold von Thadden-Trieglaff (1891–1976), dem späteren Gründer des Deutschen Evangelischen Kirchentages, wurde gebildet.

Predigerseminar unter der Leitung Bonhoeffers in Finkenwalde

Die Bekennende Kirche unterhielt in Pommern zunächst auf dem Zingsthof, danach in Finkenwalde bei Stettin ein Predigerseminar unter Leitung Dietrich Bonhoeffers (1906–1945). Die Mehrheit der pommerschen Geistlichen folgte ab 1936 jedoch der kirchenpolitischen, auf Ausgleich bedachten Linie der Reichskirchenausschüsse.

Sie wurde angeführt vom Greifswalder Stadtsuperintendenten Karl von Scheven (1882–1954), dem ersten pommerschen Bischof nach 1945.

Die Einschnitte des Zweiten Weltkrieges

Nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz 1945 wurde Hinterpommern unter Verwaltung des neu gebildeten polnischen Staates gestellt. Der territoriale Verbleib Stettins entschied sich erst im Oktober 1945. Tausende geflüchtete Deutsche erlebten damit eine weitere Vertreibung.

Die pommersche Kirche verlor über zwei Drittel ihres Gebietes und vor allem den geistlich lebendigeren Raum evangelischer Frömmigkeit. Das Konsistorium wurde nach Greifswald verlegt. Der Neuaufbau in Vorpommern erfolgte nach Auflösung der Altpreußischen Union als selbständige Landeskirche auf der Grundlage einer 1950 von der Synode beschlossenen Kirchenordnung.

Kirche unter dem Druck der DDR-Diktatur

Die Pommersche Evangelische Kirche, die von 1969 bis 1990 in Evangelische Landeskirche Greifswald umbenannt war, wurde Mitglied der Evangelischen Kirche der Union.1955 trat sie zudem dem Lutherischen Weltbund bei und pflegte unter Bischof Friedrich Wilhelm Krummacher (1901-1974) zahlreiche ökumenische Kontakte. 1969 war die Greifswalder Landeskirche an der Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR beteiligt. 

Die Gebiets- und Mitarbeiterverluste, der antikirchliche Druck der kommunistischen Diktatur vor allem in der frühen DDR-Zeit und die Abwanderung vieler Gemeindeglieder in den fünfziger Jahren gefährdeten die Handlungsfähigkeit dieser Kirche.

1972 übernahm Horst Gienke (1930-2021) das Bischofsamt. Damit begann eine Ära des innerkirchlichen Aufbaus, aber auch einer Bereitschaft zu Kontakten u. a. mit dem Geheimdienst der DDR. Nach der feierlichen Wiederherstellung des Greifswalder Domes St. Nikolai 1989 entzog die Synode Bischof Gienke mehrheitlich das Vertrauen.

Aus heutiger Sicht werden manche kirchenpolitische Entscheidungen der 1970er und 1980er Jahre kritisch gesehen; ihre vollständige Aufarbeitung dauert an.

Der Partnerschaftsvertrag mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Polen

1990 nahm die Pommersche Evangelische Kirche wieder ihren alten Namen an. Darüber war zuvor Einvernehmen mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in Polen hergestellt worden, mit deren Diözesen Wroclaw / Breslau und Pomorze-Wielko Polska / Pommern-Groß Polen 1999 ein Partnerschaftsvertrag abgeschlossen wurde.

Irmfried Garbe

Literatur

Buchholz, Werner / Günter Mangelsdorf (Hg.)
Land am Meer: Pommern im Spiegel seiner Geschichte 
Roderich Schmidt zum 70. Geburtstag.
Köln u.a. 1995

Buske, Norbert
Pommersche Kirchengeschichte in Daten
hg. v. der Arbeitsgemeinschaft für pommersche Kirchengeschichte 
3. Auflage Schwerin 2023

Garbe, Irmfried / Heiner Kröger (Hg.)
Johannes Bugenhagen (1485-1558). Der Bischof der Reformation
Leipzig 2010

Heyden, Hellmuth
Kirchengeschichte Pommerns
2 Bde. 2. Aufl.
Köln-Braunsfeld 1957 

Klän, Werner 
Die evangelische Kirche Pommerns in Republik und Diktatur
Geschichte und Gestaltung einer preußischen Kirchenprovinz.
Köln u. a. 1995

Leder, Hans-Günter 
Johannes Bugenhagen Pomeranus – vom Reformer zum Reformator
Studien zur Biographie. Hg. v. Volker Gummelt.
Frankfurt 2002

Leder, Hans-Günter / Norbert  Buske
Reform und Ordnung aus dem Wort 
Johannes Bugenhagen und die Reformation im Herzogtum Pommern.
Berlin 1985

Lissok, Michael / Haik Thomas Porada (Hg.):
Christi Ehr und gemeinen Nutzen zu fodern und zu schützen
Festschrift für Norbert Buske.
Schwerin 2014

Petersohn, Jürgen
Die Kamminer Bischöfe des Mittelalters
Amtsbiographien und Bistumsstrukturen vom 12.–16. Jahrhundert.
Schwerin 2015

Thadden, Rudolf von
Trieglaff. Eine pommersche Lebenswelt zwischen Kirche und Politik 1807–1948
Göttingen 2010